Das Übergabegespräch – Verhandlungsgeschick ist gefragt

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Jan-Jonas Zimmer

Ausgangslage – die geeignete Praxis ist identifiziert

Kernelemente Ihrer Recherche, um die geeignete Praxis zu suchen, sollten Standortanalyse, Kaufpreiseinschätzung und Rentabilitätsberechnung in Bezug zu Ihrer persönlichen Lebensplanung sein. 

Haben Sie den geeigneten Standort und die geeignete Praxis identifiziert und der Inhaber ist bereit, seine Praxis abzugeben, steht das Übergabegespräch an. 

Im Übergabegespräch geht es um die konkrete Verhandlung. Sie sollten auf folgende Punkte gut vorbereitet sein, denn jetzt wird verhandelt. 


Beteiligte im Übergabegespräch

Neben Ihnen als interessierter Übernehmer wird auf jeden Fall der Übergebe ggf. beide Ehegatten anwesend sein. Doch da Sie sich mit dem Inhaber bereits zuvor öfters über mögliche Übergabe-Szenarien ausgetauscht haben, werden dies i.d.R. nicht die einzigen Beteiligten sein. Denn es soll nun um konkrete Zahlen gehen. Gehen Sie mit gewisser Wahrscheinlichkeit davon aus, dass der Übergeber nicht genau weiß, was seine Praxis wirklich wert ist. Ggf. gehören ihm auch die Praxisräume und es geht also auch um die Festlegung der Miete für die Praxisräume (hierzu unter Punkt 5 mehr). Da es nach den oft unkonkreten Vorgesprächen heute konkreter werden soll, wird mit großer Wahrscheinlichkeit dessen Steuerberater mit am Tisch sitzen. Es könnte auch sein, dass Ihnen ein Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer gegenübersitzt. Sie sehen schon, Sie sollten hier ebenfalls Unterstützung zur Seite haben und nicht als “Youngster” geballter Erfahrung alleine gegenübersitzen. Folgende Punkte bilden den zentralen Gesprächsrahmen und sollten möglichst konkret besprochen und anschließend festgehalten werden.


Übergabedatum

Das Gespräch sollte zunächst eingeleitet werden, die Agenda abgesteckt werden und konkrete Ziele des Gesprächs formuliert werden. Die Gesprächsinhalte sollten protokolliert werden. Ein wesentlicher Aspekt ist natürlich der Tag der Abgabe. Für den Inhaber eine große Sache, denn immerhin soll er nun von seinem wirtschaftlichen Lebenswerk loslassen. Als perfektes Übergeber-Übernehmer-Szenario empfiehlt sich, dass Sie als neuer Chef starten, der bisherige Inhaber jedoch noch übergangsweise mitarbeitet. Sollten beide Mediziner bereits in der gleichen Praxis gearbeitet haben, entsteht sozusagen ein Rollentausch. Das hat für den neuen Inhaber den Vorteil, dass er Unterstützung in der Einarbeitung hat. Sollte ein “harter Cut“ gewünscht sein, ohne Übergangsphase, bedenken Sie bitte, dass der Umsatz des bisherigen Mediziners wegbricht und dessen Stelle ggf. nachbesetzt werden muss. Bei einer “weichen” Übergabe haben Sie Zeit, in die neue Stelle und die damit neu verbundenen Aufgaben (Management, Unternehmertum) rein zu wachsen. Klar muss sein, dass Sie ab sofort das Sagen haben und der bisherige Inhaber muss sich auch mit der neuen Rolle anfreunden können. Abgeber sind diesem Szenario oft sehr offen gegenüber, da es Ihnen auch am Herzen liegt, dass Ihre Praxis und Patientenstamm optimal überführt werden. Gleichzeitig bietet es für die Abgber oft die Chance, weitere Rentenzeiten im Versorgungswerk zu sammeln. 

Oft gibt es eine Situation, wo der Übergeber das Datum sich gerne etwas offen lassen würde: “vielleicht in zwei oder auch erst in drei Jahren. Ich habe nochmal in die Praxis investiert, da möchte ich mich jetzt noch nicht festlegen.”
Merken Sie sich, das wäre kein Vorgehen unter Kaufleuten. Denn das Übergabedatum hat selbstverständlich Auswirkungen für Ihre wirtschaftliche Planung (Stichwort Rentabilitätsberechnung) und vor allem Auswirkungen auf den Kaufpreis. 


Kaufpreis

Neben dem Standort der Praxis, der Konkurrenzsituation vor Ort, spielen der aktuelle und historische Geschäftserfolg, gemessen anhand von Umsatz, Gewinn und anderen finanziellen Kennzahlen eine tragende Rolle beim Kaufpreis. Einerseits wird der Substanzwert, einsehbar aus der Summen- und Saldenliste, die für die Praxis geführt wird, herangezogen. Beim Substanzwert werden alle materiellen Vermögenswerte der Praxis und die steuerliche Abschreibung erfasst. Darüber hinaus gibt es einen Goodwill. Oft werden Praxiskaufpreis Einschätzungen erstellt, weshalb, wie unter Punkt 1 – Beteiligte aufgeführt sind, ggf. der Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder andere Berater am Tisch sitzen. Unterschieden wird zwischen einem Unteren und einem Oberen Goodwill. Natürlich wollen die Berater das Maximum für Ihren Klienten rausholen, weshalb Sie hier nicht unvorbereitet ins Gespräch gehen sollen. Bedenken Sie, dies ist lediglich eine Einschätzung und wie der Name sagt, ist hier durchaus Verhandlungsspielraum. Auch sollten die wirtschaftlichen Zahlen der Praxis auf Sondereffekte vorab geprüft und ggf. geglättet werden, um einen realistischen Kaufpreis zu verhandeln. Es gibt hier kein richtig oder falsch, bedenken Sie das Prinzip des Angebots und der Nachfrage. Kaufpreis Einschätzungen geben einen gewissen Rahmen, sind jedoch nur Einschätzungen und in der Realität erleben wir, dass diese massiv voneinander abweichen können, je nachdem welches Bewertungsverfahren angewandt wird. Aus unserer Sicht ist es oft entscheidend, das Bewertungsverfahren zu verstehen, um ein zufriedenstellendes Ergebnis für beide Seiten zu erzielen. Wir helfen Ihnen gerne, vermeintliche Expertengutachten richtig zu interpretieren und optimal auf die Kaufpreisverhandlung vorbereitet zu sein.


Mietvertragsgestaltung

Unsere Erfahrung zeigt, dass ein sorgfältig gestalteter Mietvertrag genauso entscheidend für den Erfolg Ihrer Praxis ist, wie ein angemessener Kaufpreis. Wir empfehlen ausdrücklich den Kaufvertrag und den Mietvertrag vor Vertragsunterzeichnung von einem Rechtsanwalt, vorzugsweise von einem Fachanwalt für Medizinrecht, prüfen zu lassen. 

Sollte der Abgeber gleichzeitig der Inhaber der Praxisräume sein, so müssen Sie diesem folglich neben dem verhandelnden Kaufpreis eine mtl. Miete nach Übernahme zahlen. 

An dieser Stelle möchten wir auf eine Sonderkonstellation aufmerksam machen, die nicht unüblich ist. Ist der Inhaber gleichzeitig Besitzer der Praxisräume, so kann es vorkommen, dass die Praxisräume gar nicht dem praktizierenden Mediziner, sondern oft dessen Ehepartner gehören. Der Inhaber der Praxisräume bezahlt also eine Miete an seinen Ehepartner . Dies kann vorteilhaft sein, dass die Praxis im Privatvermögen und nicht im Betriebsvermögen geführt wird. Besprechen Sie dies bitte mit Ihrem Steuerberater. Praxis Perfect verweist an dieser Stelle ausdrücklich darauf, dass wir keine Steuerberatung übernehmen. Unser Ziel ist es, mögliche Fallstricke im Prozess der Niederlassung, Praxisabgabe oder des Prozessmanagements hinzuweisen und unsere Erfahrung an Interessierte zur Verfügung zu stellen. Szenarien gemeinsam zu beleuchten und zu erklären, warum etwas gemacht wird, mit dem Ziel, dass Mediziner ein besseres Verständnis entwickeln und wirtschaftliche Entscheidungen bewusster treffen. 

An dieser Stelle sollten Sie also wissen, dass es diese Konstellation gibt. Wir erleben immer wieder, dass der Ehegatte als Miete gerne die gleiche Miete wie bisher wünscht. Eine Miete unter den Eheleuten ist i.d.R. gleichzeitig nicht dieselbe erzielbare Miete wie mit einer externen dritten Person. Tipp: Sie sollten also wissen, was die ortsübliche Miete ist. Zudem sollte vorher geschaut werden, in welchem energetischen Zustand das Gebäude ist, ob ausreichend Parkplätze vorhanden sind, wie die generelle Erreichbarkeit für Patienten etc. ist. Die Miete hängt von vielen Faktoren ab. Nachdem Sie sich auf eine angemessene Miete geeinigt haben, sollten Sie nicht versäumen, die Laufzeit verbindlich festzulegen. Wir empfehlen zehn Jahre mit der dreimaligen Option, um fünf Jahre zu verlängern. Das schafft Planungssicherheit für Sie als Übernehmer.

Dann schlagen wir noch einen modifizierten Mietvertrag vor, indem der Vermieter dem Übernehmer in der Gründungsphase entgegenkommt. Dieser reduziert die Miete in den ersten Jahren, anschließend sollte festgelegt werden, in welchen Abständen sich die Miete erhöht. Vorteil: bessere Cash-Flow für den Übernehmer in der Gründungsphase, zudem langfristig Planungssicherheit auch was Mietpreiserhöhungen angeht.

Weiterer Tipp aus der Praxis: gehören die Räumlichkeiten einer externen Dritten Person, so verlassen Sie sich niemals darauf, was der Abgeber mit dem Vermieter vereinbart hat. Um böse Überraschungen vorzubeugen, empfehlen wir den Mietvertrag auf jeden Fall von einer Fachperson prüfen zu lassen.


Ein Beispiel aus der täglichen Arbeit

Eheleute waren nicht nur Praxisinhaber, sondern auch Besitzer der Fläche. Schöne 250 qm Praxis.  Die Miete unter den Eheleuten lag bei 4700 EUR netto / mtl. Das wollten Sie vom Übernehmer natürlich auch gerne haben. Dies passiert oft, da Miete unter Eheleuten vereinfacht ausgedrückt der Tilgungsrate an die Bank für den Praxiskredit entsprechen muss, was damals vor Jahrzehnten bei der eigenen Existenzgründung mit dem Steuerberater ausgearbeitet wurde und durchaus Sinn machen kann. Auch hier verweisen wir wieder auf den Steuerberater. Jahrzehnte später beim Praxisverkauf wissen die abgebende Eheleute natürlich nicht mehr, warum das damals so steuerlich ausgestaltet wurde und die Miete entsprechend hoch angesetzt wurde. 

Da die Zahnarztpraxis einen tollen Umsatz mit hoher Privatliquidation macht, wäre der interessierte Zahnarzt auch bereit gewesen, diese Miete zu zahlen. Bei aller Liebe: Es wäre kein Investor bereit, diese Miete zu bezahlen, die weit über der ortsüblichen Miete gelegen hätte. Durch geschickte Verhandlungen wurde die Miete auf die ortsübliche Miete (bitte beachten Sie die Unterscheidung zwischen Bestandsimmobilien und Neubau) verhandelt. Zudem wird dem Übernehmer die ersten fünf Jahre eine reduzierter Mietpreis von 600 EUR / mtl. gewährt. Also 36.000 EUR Mietersparnis in den ersten fünf Jahren, was die Fixkosten in der Startphase folglich reduziert. haben wir auf den Kaufpreis on top drauf gepackt. Übernehmer glücklich, da niedrigere mtl. Belastung in der Startphase. Zudem klar definierte Mieterhöhungen, statt volle Belastung zu Beginn.

Das bringt bei einer angenommenen Laufzeit von 15 Jahren bei Vermietung zur ortsübliche Miete mit unterstellter 3% Mietpreisanpassung p.a. nach der Startphase ca. 300.000 EUR Mietersparnis für unsere Klienten, als wenn er stattdessen unvorbereitet und ohne Hilfe ins Gespräch gegangen wäre und die gewünschte Miete direkt akzeptiert hätte.


Fazit

Die Kaufpreisverhandlung einer Praxis ist ein komplexer Prozess, der strategisches Vorgehen, finanzielle Weitsicht in Mietvertragsgestaltungen und finanzielles Verständnis von Praxiszahlen und Kaufpreiseinschätzungen erfordert. Mit dem richtigen Vorgehen und der richtigen Unterstützung können Sie jedoch eine erfolgreiche Praxisübergabe Gespräch durchführen. Das für beide Parteien , Abgeber und Übernehmer, eine win-win-Situation schafft und für beide Seiten finanzielle Vorteile bieten kann. Wir bei Praxis Perfect bezeichnen dieses Gespräch als Herzstück des Niederlassungsprozess und lieben es für Sie, den perfekten Übergabeprozess aktiv mitzugestalten und Lösungen zu finden, die weit über dem Branchendurchschnitt liegen. Sprechen Sie uns an. 

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